Dienstag, 11. Dezember 2012

„Den Umgang mit Vielfalt finde ich abenteuerlich.“  Ein Gespräch mit Theaterpädagoge Andreas Entner

Andreas Entner in Februar 2012, Theaterpädagoge und Schauspieler, sieht schöne Spielmöglichkeiten in seinem neuen Wohnort, Schwäbisch Hall.



Seit Januar 2012 arbeitet Andreas Entner als Theaterpädagoge bei den Freilichtspielen Schwäbisch Hall. Er ist Nachfolger von Verena Sciecielski (nun stolze Mutter von einem Sonntagskind) und das neueste Mitglied des Abenteuer-Vielfalt-Teams.

Andreas Entner ist 36 Jahre alt, geboren in Werner an der Lippe und aufgewachsen im Ruhrgebiet. Schon in seiner Kindheit hat er Erfahrungen auf die Bühne gemacht: „Ich hab' in der Grundschule schon hin und wieder Theater gespielt und schon sehr früh angefangen Musik (Gesang und Gitarre) zu machen. Für mich war die Bühne immer interessant.“ 

Als er 16 war hat er die deutsche Filmkomödie „Kleine Haie“ von Sönke Wortmann gesehen, „wo es halt darum geht, dass ein paar junge Männer auf die Schauspielschule wollen" und er dachte „das ist nicht etwas, das ich mir nur angucken kann, das kann ich ja auch selber machen, wenn ich es will!" Er sprach mit seinen Eltern über seinen Wunsch Schauspieler zu werden und bekam als Antwort: „Ja, das kannst du machen, Junge, aber du muss allein sehen wie du da hin und wieder nachhause kommst.“ Die nächste Schauspielschule war mit öffentlichen Verkehrsmittel fast drei Stunden entfernt. „Fünf, sechs Stunden jeden Tag in der Bahn verbringen, da hatte ich kein Lust zu und so habe ich das erstmal gelassen.“ 

Statt der Schauspielschule hat er zunächst eine Ausbildung zum Informations-technischen-Assistenten angefangen. Nach einem Jahr war ihm allerdings klar, das ist nichts für ihn. Er brach die Berufsschule ab und begann eine drei-jährige Ausbildung im Glaserhandwerk. Nach absolvierter Gesellenprüfung leistete er, mit 19 Jahren, seinen Zivildienst in einem Kinderheim. „Dadurch bin ich auf die Pädagogik aufmerksam geworden.“ Er hatte direkt einen guten Draht zu den Kindern und wurde schnell in den pädagogischen Alltag eingebunden. Die Arbeit machte ihm Spaß und er sah, wie die Kinder, durch seine Unterstützung, vorwärts kamen. 

Nach seinem Zivildienst stand die Entscheidung für seinen nächsten Schritt fest: eine Ausbildung zum Erzieher. In den drei Jahren Ausbildung und der anschließenden Tätigkeit in dem Beruf (fast 4 Jahre) hat er zwar kein Theater gespielt, war aber dennoch auf Bühnen zu finden und zwar als Musiker. Zwei Jahre war er Mitglied im Acapella-Chor „Dizzy Dozen“ und später Sänger einer Rockband.

Während er als Erzieher tätig war, suchte er nach interessanten Möglichkeiten der Weiterbildung. Ursprünglich wollte er sich zum Systemischen Berater ausbilden lassen. Doch dann erfuhr er durch einen Zufall von dem Berufsfeld des Theaterpädagogen. Der alte Traum vom Schauspiel wurde wieder wach gerüttelt und nach kurzem Hin und Her entschied der sich für diesen Weg.

Kurz nachdem er die berufsbegleitende Fortbildung zum Theaterpädagogen beendet hatte, fand er heraus, dass seine Eltern ihn mit 16 „herausgetrickst“ und bewusst vom Plan Schauspieler zu werden abgehalten hatten. „Sie haben mich bis zur Theaterpädagogik komplett und ständig unterstützt. Nur damals, als ich 16 war, wollten Sie nicht, dass ich zur Schauspielschule gehe. Sie hatten einfach Angst, dass ich später auf der Straße sitzen würde. Meine Eltern sind bodenständige Leute.“ 

Nach dieser Enthüllung, wurde ihm klar, er geht jetzt, mit 29 Jahren, zur Schauspielschule. Die Ausbildung in Köln dauerte vier Jahre. Neben der Ausbildung hat er fast alle seine gelernten Fähigkeiten im Nebenjobs als Glaser, als Hausmeister und als Theaterpädagoge (u. a. im Theater im Bauturm) eingesetzt, um die Privatschule zu finanzieren. Nach seine Ausbildung, „habe ich permanent gespielt, war immer auf der Bühne“. Vier Jahre Ausbildung und zwei Jahre auf der Bühne haben ihn etwas „bühnenmüde" gemacht. Er kam an den Punkt, an dem er merkte, er will seinen Fokus auf etwas anders lenken, seine Kreativität frei lassen und eigene Ideen umsetzen.

Darum machte er sich auf die Suche nach einer theaterpädagogischen Stelle, um wieder für eine Zeit hinter die Kulissen zu treten. Er fand „die Treppe". In seinem zweiten Schauspielausbildungsjahr hatte er darüber gehört, „in der Theaterszene sind ist Haller Freilichtspiele Bühne unter diesem Begriff bekannt.“

Er mag die Landschaft dieser Region und als er zum ersten Mal in Schwäbisch ankam, für das Bewerbungsgespräch im Dezember 2011, hat er sich sofort wohlgefühlt in der Stadt. Ebenso im Gespräch mit dem Intendanten Christoph Biermeier und dem Dramaturgen Georg Kisten,„die Leute fand ich sehr sympathisch". Alles ging schnell und im Januar 2012 zog er nach Schwäbisch Hall und war beeindruckt: „Bei allem was ich hier so kurzfristig organisieren musste habe ich erstaunlich viel Unterstützung vom Büro der Freilichtspiele erhalten. Ich dachte, Wow! Ein cooles Team".

Am 16. Januar hat er den Job angefangen und die ersten zwei Wochen waren: „zuhören, zuhören, zuhören, nette Leute kennenlernen, zuhören, zuhören, speichern – mit dem Gefühl, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.“

Gleich in seiner ersten Woche hat Andreas das Abenteuer Vielfalt Projekt kennengelernt und schon nach der zweiten Woche hat er mitgemacht. Seine Eindruck vom Projekt, „ich war erstmal sehr positiv überrascht, weil ich das gar nicht kannte: das Konzept junge Menschen dazu auszubilden, dass sie noch jüngeren Menschen Theater vermitteln. Das ist eine tolle Idee. Nachdem die 3. Staffel des Projektes gerade zu Ende ging, als ich hier ankam, war ich schon sehr gespannt auf die kommende, die dann mitbetreuen würde. Mittlerweile läuft die 4. Staffel seit ein paar Wochen und es macht einfach riesigen Spaß. Die Gruppe ist super. Ganz unterschiedliche, aufgeschlossene und neugierige junge Menschen, die spielen wollen. Eine tolle Atmosphäre. Ich freue mich immer auf den Dienstagabend und bin gespannt, wohin ich theatermäßig mit der Gruppe reisen darf.“

Wenn er an seine vier Ausbildungen denkt ist „Vielfalt ein Teil meines Leben. Es gibt so viele verschiedene Ansichten, Sichtweisen, Weisheiten, Kulturen – und alle haben ihre Perlen, ihre Schätze". Ganz konkret heißt Vielfalt für ihn, „ein reichhaltiges Angebot und die Freiheit daraus anzuschauen“. Durch seine verschiedenen Ausbildungen, die unterschiedlichen Leute, die er kennenlernt und seine Offenheit und Neugierde, auch gegenüber sich selbst, ist Vielfalt für ihn eine lehrende Bereicherung im Alltag und eine Herausforderung zugleich: „Ich bin sehr lernbegierig, trotzdem stoße ich eigentlich jeden Tag immer wieder an eine Grenze, wo ich das Gefühl habe, ich habe noch nichts verstanden. Ich habe noch nicht begriffen wie die Welt funktioniert. Der Umgang mit Vielfalt ist für mich einfach abenteuerlich."

Mit seinen facettenreichen Fähigkeiten und seiner mannigfaltigen Persönlichkeit erweitert, bereichert und gehört Andreas Entner buchstäblich zum Abenteuer-Vielfalt-Team. 

Andreas leitet die Abenteuer-Vielfalt-Gruppe durch eine Traumreise, November 2012.


Text und Fotos: Patricia Masibay



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