Samstag, 19. Dezember 2009

Mira Scherrer auf der Bühne



Mira Scherrer (im Bild rechts), Teilnehmerin aus der Gruppe "Abenteuer Vielfalt" ist zurzeit als Anna in "Malfälscher – Holzdiebstahl am Kocher" zu sehen.

Näheres über Mira in unserem Interview: "Mango Samba".

Malfälscher – Holzdiebstahl am Kocher von Peter Hauser
um 19 Uhr im Theatersaal Altes Schlachthaus, Schwäbisch Hall
Dienstag, 29. Dezember 2009
Sonntag, 24. Januar 2010

Weitere Informationen: http://www.schwaebischhall.de/termine.html?DATE=29.12.2009&Veranstaltung=11022


Veranstalter: Kleines Theater Hall
Tel 0791 436 44
kleinestheaterhall@gmx.de

Foto: Alastair French 









Sonntag, 6. Dezember 2009

"Mango Samba" - ein Gespräch mit Mira und Roma







Mira (links) und Roma 

Das Theaterprojekt "Abenteuer Vielfalt" setzt sich aus einer bunten Mischung von Teilnehmern zusammen. Wir stellen zwei aus der Gruppe vor: die Hallerin Mira Scherrer und Roma Rodriguez aus San Salvador.

Mira ist 14 Jahre alt und wohnt in Schwäbisch Hall. Dank ihrer Mutter hat sie schon mit acht Jahren ihre erste Erfahrung im Theater mit dem Kleinen Theater Hall e.V. gemacht. Bis jetzt hat sie bei zwei Workshops teilgenommen und in ein Stück mitgespielt. Andere Interessen sind Spaziergänge – am liebsten mit ihren beiden Hunden "Snoopy" und "Bommel" – und Reiten. Mit dem Reitensport hat sie angefangen als sie vier Jahre alt war und bereits mit sechs Jahren hat sie Reitunterricht genommen.

Roma ist 16 Jahre alt und kommt aus El Salvador in San Salvador. Seit fünf Jahren besucht sie die "Deutsche Schule San Salvador".  Ihr Potenzial als Schauspielerin haben schon ihre Mutter und eine befreundete Schauspielerin erkannt. Allerdings hat sich Roma zunächst mit anderen Sachen beschäftigt: Musik hören (Rock und Pop), lesen (Harry Potter, Twilight Serie), in's Kino gehen und shoppen. In Schwäbisch Hall geht sie meistens bei H&M einkaufen – gerne Strumpfhosen – sie lacht "es ist hier sehr kalt!".

Warum Theater? 
Durch das Kleine Theater Hall e.V. hat Mira über das Projekt "Abenteuer Vielfalt" erfahren. Sie hat sich entschieden mitzumachen, weil Theaterspielen ihr viel Spaß macht. Zudem erhält sie so die Möglichkeit, sich selbst besser kennenzulernen und verschiedene Rollen auszuprobieren "zum Beispiel wenn man ein ruhiger Mensch ist – dass man auch mal ausrasten kann".

Roma ist als Austausch-Schülerin in Schwäbisch Hall von Oktober bis Mitte Dezember 2009. Ihre "Austausch-Schwester" Tara hat großes Interesse am Theater. Für Roma gab es daher fast keine andere Wahl als beim Spielen mitzumachen – in der Theater AG und beim Projekt "Abenteuer Vielfalt". Das hat ihre Mutter überrascht, weil sie es hier in Schwäbisch Hall "endlich" probiert - anstatt in San Salvador.


"Abenteuer Vielfalt"
Vielfalt ist für Mira "Vielfältigkeit: einfach Vieles, Verschiedenes. Zum Beispiel beim Verhalten, wie man sich anzieht, beim Benehmen..." Jetzt, beim Workshop, macht sie ihre ersten Erfahrungen mit Vielfalt: "Wir sind eine coole Gruppe. Wir sind alle ganz unterschiedlich. Ich finde es auch ziemlich cool, dass Menschen aus anderen Ländern dabei sind: aus Italien, Polen und San Salvador!"

Roma versteht unter Vielfalt auch Verschiedenheit: "Verschiedene Menschen, verschiedene Mentalitäten und Ideen." Ihre ersten Erfahrungen mit Vielfalt sind durch die deutsche Schule in El Salvador gekommen. Der Unterricht findet meist auf Deutsch aber auch auf Spanisch und Englisch statt. Bisher hatte sie zwei Austausch-Aufenthalte in Deutschland. Sie wohnte einen Monat in Lüneburg (vor drei Jahren mit 13). Zuerst wollte sie die Schule nicht wechseln und ihre Freunde verlassen, aber heute sagt sie "das ist die beste Idee, die meine Mutter bis jetzt gehabt hat!" Seit fünf Jahren lebt sie Vielfalt im eigenen Land, in ihrem Alltag. Sie hat sich schon an Vielfalt gewöhnt und findet es deshalb nicht "besonders".

Für Mira bietet das Projekt Abenteuer Vielfalt etwas Anderes als die Theaterworkshops, die sie schon mitgemacht hat, weil die Altersunterschiede hier größer sind und weil man hier auch andere Sachen macht. Ihr gefallen besonders die "quatschigen" Übungen. Sie fängt an zu singen: "angebrannte Bohnensuppe mag ich nicht, mag ich nicht, mag ich nicht..." Es ist ansteckend und Roma singt mit – bis ihr Lachen die Erklärung der Übung unterbricht. Die beiden mögen Bohnensuppe aber tatsächlich nicht angebrannt. 

Roma sieht auch einen Unterschied zwischen dem Projekt Abenteuer Vielfalt und der Theater AG, die sie in der Haller Schule besucht. "In der Schule wird ein Stück gespielt und die Übungen haben damit zu tun. Hier machen wir so viele Dinge! Meine Lieblingsübung bisher war, eine Szene aufzubauen mit nur drei Wörtern: "Musik, Spannung, Entdeckung". Das war nicht einfach, aber toll!" Mira stimmt zu: "Es war eine Herausforderung, aber es hat viel Spaß gemacht".

Am 8. Dezember ist Romas letzter Tag in Schwäbisch Hall. Sie geht zurück nach San Salvador. Sie hat hier Freunde gewonnen und viele neue Erfahrungen gesammelt. Ob sie mit dem Theater weitermacht? Sie lacht ein breites Lachen und sagt spielerisch "Vielleicht...".

Bei Mira ist es klar. Sie macht gerne weiter. Neben dem Reiten ist das Theaterspielen ein wichtiges Interesse. Es macht ihr Spaß und bringt tolle Erfahrungen mit Vielfalt.

Ich frage nach Romas Lieblingswort auf Deutsch und Mira antwortet schnell für sie "Mango Samba!", beide kichern. Und dann müssen die beiden los, es ist Freitag kurz vor halb drei- Zeit zu spielen!

Roma bei ihrer Lieblingsübung: eine Szene aufzubauen mit nur drei Begriffen: 
Musik, Spannung, Entdeckung

Mira, Roma und Martina besprechen ihre Idee für die Szene mit Rainer Möck.

Mira und die Gruppe bei einer Lockerungsübung

Text und Fotos: Patricia Masibay

Dienstag, 17. November 2009

Vorhang auf für Rainer Möck, der Spiel(beg)leiter




Fast 30 Jahre lebt Rainer Möck schon in der Schwäbisch Haller Umgebung – seit 34 Jahren ist die Welt des Theaters seine Heimat.


Freitags leitet Rainer Möck zusammen mit Christina Koball von den Freilichtspielen Schwäbisch Hall das Theaterprojekt "Abenteuer Vielfalt" und damit eine enthusiastische Gruppe von 14- bis 19-Jährigen. Er selbst war 18 Jahre alt, als er im Jugendhaus Fellbach seine erste Begegnung mit Theater hatte. "Ich bin einfach so ins Theater geschlittert. Theater zu spielen mit anderen Jugendlichen– das hat Spass gemacht!"


Schnell war ihm klar, dass Theater mehr als nur Spaß bietet: "Mir wurde bewusst, dass Theater ein ganz tolles Mittel ist, um Selbsterfahrung zu sammeln und um Dinge auf der Bühne auszuprobieren, die auch etwas mit der Realität zu tun haben." Für Rainer Möck ist das Zusammenspiel von Fantasie, Realität und Ausprobieren, und die Herausforderung, einen Charakter ernsthaft zu vertreten, mit positiven und negativen Zügen und Gefühlen, das Schöne am Theaterspielen. "Was habe ich negativ drauf, was positiv? Was will ich? Was will ich nicht? Diese Entscheidungen immer wieder zu treffen, das spielt im realen Leben eine wichtige Rolle. Theaterspielen hat mir damals als junger Erwachsener sehr gut getan und heute auch als reifer werdender Mensch tut es mir immer wieder gut."


Von 1975 bis 1980, als er Theater im Jugendhaus Fellbach  spielte, arbeitete er mit an originellen Stücken und Filmen zu den damals aktuellen Themen des Drogenkonsums oder der zunehmenden Arbeitslosigkeit.  Danach pausierte er für drei Jahre vom Theaterspielen, um eine Ausbildung zu absolvieren und erste Erfahrungen als Erzieher zu sammeln. 1982 wurde Möck Fachlehrer an der Sonnenhofschule – ein Angebot für Menschen mit körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen. Wohin es Rainer Möck auch in seiner Laufbahn verschlagen hat, Theater und Theatergruppen hatte er immer schnell zur Hand: Im Sonnenhof entstand mit anderen interessierten jungen Pädagogen und Zivildienstleistenden eine eigene Theatergruppe und vor rund 20 Jahren war er gemeinsam mit Elke Feucht, Peter Hauser und einigen anderen Aktiven an der Gründung des Haller Amateur- und Familientheater: Kleines Theater Hall e.V. beteiligt. 1992 bildete Möck sich in Theaterpädagogik weiter. Seit 1995 ist er Montessori-Pädagoge und -Therapeut im Integrativen Montessori-Kinderhaus. Zeitweise ist er auch als Werkstattleiter und Bühnenhelfer bei der LAG Theater Pädagogik Baden-Württemberg e.V. tätig.


Rainer Möck ist eindeutig ein Theater-Mensch durch und durch, aber im Mittelpunkt seiner Motivation und seines Handelns stehen immer andere Menschen. Er beschreibt die Geburt seiner beiden Töchter als einen der eindrucksvollsten und glücklichsten Momente seines Lebens (leider ging die Entbindung bei der ersten Tochter "etwas zu schnell"). Obwohl er professioneller Erzieher ist, stellt er die Bezeichnung in Frage: "Ich habe meine Töchter nicht erzogen, ich habe sie begleitet." Mit seiner Familie setzt er sich für Menschenrechte  ein, in der Haller Amnesty International Gruppe ist er seit den 80er Jahren aktiv.


"Das Thema Vielfalt ist für mich wichtig aber nicht ganz neu. Vielfalt ist für mich einfach das, was es gibt. Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch ist verschieden." Im Jugendhaus Fellbach hatte Rainer Möck nicht nur die erste Begegnung mit Theater, sondern auch mit kultureller Vielfalt. "Da waren sehr viele ausländische Mitbürger: Leute aus Griechenland, aus Italien. Es gab leider auch viele Auseinandersetzungen – im Jugendhaus wurde Vielfalt gelebt!" Es war für ihn lehrreich und interessant aber gleichzeitig auch furchteinflößend. Seine Wahrnehmung war schon differenziert, dadurch erkannte er die Unterschiede und verschiedenen Probleme innerhalb kultureller Gruppen, die in Deutschland zurechtkommen wollten und mussten. Später erweiterte sich sein Blick auf Vielfalt durch seine Arbeit mit den behinderten Menschen: "konfrontiert mit 'ungewohnten Verhaltensweisen' hat man anfangs Sorge und Angst, weil man nicht weiß, wie man damit umgehen soll."


Für ihn macht die Spannung zwischen Neugier und Angst die Vielfalt aus. "Klar reagieren manche Leute abwehrend, aber auf der anderen Seite gibt es Fragen nach den Hintergründen. Durch die Wahrnehmung von Vielfalt setzen wir uns mit der Realität auseinander. Wenn wir aber die Vielfalt nicht wahrnehmen oder uns davor ausgrenzen, dann engen wir uns ein. Wir schotten uns dann ab von der Wahrheit: Wir tun so, als ob etwas, das da ist, nicht existiert." Die Auseinandersetzung mit Vielfalt ist für Rainer Möck eine "normale" Auseinandersetzung. Wie die Auseinandersetzung mit Angst. Die Angst vor Vielfalt ist da – sie geht nicht weg, und deshalb ist es wichtig zu lernen mit der Angst umzugehen. "Wenn sich die Situation verändert, müssen wir gleichzeitig unsere Gewohnheiten ändern. Sich an Vielfalt zu gewöhnen, dass ist heute unsere Aufgabe! Der Umgang mit Vielfalt, mit vielfältigen Verhaltensweisen beinhaltet deshalb, die Situation richtig einzuschätzen und zu lernen mit friedlichen Mitteln zu reagieren, statt mit Abwehr und Aggression."


Jeden Freitag bis Februar 2010 begleitet Rainer Möck mit den friedlichen Mitteln des Theaters der bunten "Abenteuer Vielfalt"-Gruppe, wie man mit Vielfalt umgehen lernen kann. "Das Handeln ist entscheidend. Man kann es nicht theoretisch diskutieren, man muss es wirklich selbst ausprobieren. Im Theater haben die Jugendlichen den Schutz und die Möglichkeit auf der Bühne alles auszuleben. Danach aber, weg von der Bühne, kommt die Trennung und man ist wieder man selbst".


Rainer Möck ist zurzeit als entmachteter König in "König Drosselbart" und als Bauernknecht Frieder in "Malfälscher" auf der Bühne. Aber auch abseits der Bühne macht ihm, als 52-Jähriger das Theater weiterhin Spaß und "jede Menge Arbeit": sowohl als Theaterpädagoge, Regisseur und Bühnentechniker, wie als "Vereinsmeier" beim Kleinen Theater Hall e.V.


König Drosselbart frei nach Gebrüder Grimm
vom Kleinen Theater Hall
um 16 Uhr im Theatersaal der Altes Schlachthaus Schwäbisch Hall
Sonntag: 6. Dezember 2009 und 7. Februar 2010






Malfälscher – Holzdiebstahl am Kocher von Peter Hauser
um 19 Uhr im Theatersaal der Altes Schlachthaus, Schwäbisch Hall
Dienstag, 29. Dezember 2009 und Sonntag, 24. Januar 2010

Rainer Möck, Theaterpädagoge
Tel 0791 / 4 36 44,  kleinestheaterhall@gmx.de







Rainer Möck bei einer "Spiegel-Übung"



Vorbereitungen für die Aufgabe: 
entwickelt anhand der Begriffe eine Szene!

Text und Fotos: Patricia Masibay


Dienstag, 3. November 2009

...aufs Spiel(en) setzen

"Unsere Welt wird auch in Heilbronn-Franken immer interkultureller und vielfältiger. Viele Kinder und Jugendlichen wachsen in eine Welt hinein, in der Verschiedenheit von Lebenssituationen und -stilen immer mehr zum Alltag gehört. Genauso wie immer mehr "Fremdheit" in die eigene Region kommt, verlassen wir selbst immer wahrscheinlicher die bekannte Umgebung und werden irgendwo in der Welt "fremd" sein. Dabei macht sich Vielfalt nicht nur an interkulturellen Grenzen fest. Vielfalt drückt sich auch aus in Unterschieden im Geschlecht, in der sozialen Schicht, in der Religion, oder in der Sprache, auch in "Dick" und "Dünn", in Behinderungen... Um dies positiv anzugehen und kompetent damit umzugehen, ist ein Lernen vom Umgang mit Vielfalt die Voraussetzung. Dieses Lernen ist förderlich für den Einzelnen wie auch für ein gelingendes Zusammenleben und eine friedliche Gesellschaft. Interkulturelle und Diversity-Kompetenzen sind Schlüsselkompetenzen im Arbeits- wie auch im privaten Leben." Auszug aus dem Antrag für Pakt Zukunft, September 2009

Das Theaterprojekt "Abenteuer Vielfalt": Der Anfang 2008.
"Dieses Projekt beruht auf einem Zufall" sagt Farnaz Schaefer, eine Mitbegründerin des Internationaler Frauenkreises (IFK) Schwäbisch Hall. Sie erinnert sich gerne an den glücklichen Umstand, der vor gut anderthalb Jahren das Theaterprojekt ins Leben gerufen hat.


Im Juni 2008 trafen sich Farnaz Schaefer mit Ruth Steinke
, pädagogische Mitarbeiterin der Volkshochschule (VHS) Schwäbisch Hall, eigentlich um über ganz andere Themen zu sprechen.

Nebenbei erzählte Farnaz über ein tolles Theaterprojekt ("People's Theater") dass sie zuvor kennengelernt hatte. Schon damals war der Kontakt mit Rainer Möck vom Kleinen Theater Hall entstanden. Doch für die Durchführung des Projekts fehlte es vor allem am Geld. Ruth hörte interessiert zu und erzählte von der Heilbronner Förderinitiative "Pakt Zukunft". Sie war für die Antragstellung zuständing und suchte dafür interessante Projekte.



Die beiden entschieden, eine Kooperation einzugehen und den Antrag für ein Projekt einzureichen. Als Kooperationspartner für die Theaterpädagogik sagte das "Kleine Theater Hall" prompt zu und auch die Freilichtspiele Schwäbisch Hall bekundeten schnell Interesse. Das Thema "Vielfalt" vorgeschlagen von Patricia Masibay, wurde zusammen mit weiteren aktiven Mitgliederinnen des Internationalen Frauenkreisen und Ruth Steinke entwickelt. Auf dieser Basis entwarfen Ruth Steinke, Farnaz Schaefer und Patricia Masibay – ergänzt von Rainer Möck – das inhaltliche Konzept für den Antrag "Abenteuer Vielfalt".

Am 30. Oktober 2009 trafen sich die drei Frauen wieder um die Projektinhalte noch einmal aus persönlicher Sicht zu erläutern:  Wieso eigentlich "Vielfalt" als inhaltliches Konzept? Wieso Theaterpädagogik als Methode? 
Die Antwort von Farnaz kam sehr schnell und überzeugt: "Vielfalt bedeutet Freiheit für mich. Besonders die kulturelle Vielfalt finde ich wunderschön - sie gibt mir Ideen. Ich kann mein Leben gestalten so wie ich will- ich bin nicht durch eine Kultur begrenzt." Farnaz wurde im Iran geboren und verbrachte dort ihre Kindheit bevor sie als Jugendliche in die USA zog. Seit 1985 hat sie Ihre eigene Familie in Deutschland, ihre Heimat gefunden. Mit dieser Biografie weiß sie, dass Vielfalt auch schwierige und unangenehme Herausforderungen in sich birgt. Farnaz erinnert sich an die teilweise schmerzliche Kindheit im Iran. Dort fühlte sie sich fremd und wegen ihres Glaubens ausgegrenzt. Sie musste im realen Leben Verschiedenes ausprobieren um einen Weg zu finden mit diesen Gefühlen umzugehen und ihr jetziges Gleichgewicht zu finden. "Durch Theater haben die Kinder und Jugendlichen eine spielerische Möglichkeit ihre eigene Antworten zu finden."


Ruths Antwort ist überlegt. Für sie ist Vielfalt spannend- eine Öffnung ihres Horizonts. Ihre persönliche Erfahrung mit Vielfalt kommt aus der Sicht, Teil einer Mehrheitsgesellschaft zu sein.  "Es gibt Situationen wo man sich anders fühlt und dadurch allein obwohl man nicht eine andere Hautfarbe hat, eine andere Religion ausübt oder eine andere Sprache spricht. Auch innerhalb einer Kultur gibt es unterschiedliche Milieus. Es gibt Unsicherheit, es gibt Druck es gibt Komplexität." Sie sieht das Thema Vielfalt kritisch- es geht um Individuen, um Schicksale von Anderen, um die Prüfung unseres Umgangs mit Anderen bevor wir deren Verhalten bewerten. Sie spricht über Toleranz und Grenzen. "Es geht darum herauszufinden was man mag und was nicht. Und was ist für die eigene Identität erlaubt, was weniger? Es geht darum dass wir uns nicht verstecken, dass wir nicht sofort zumachen, dass wir uns öffnen wenn wir mit etwas Fremden konfrontiert sind".  Ihr ist es sehr wichtig das die Jugendliche sich durch Theaterpädagogik selbst finden und eine Sicherheit durch Ausprobieren verschiedener Rollen gewinnen.


Für Patricia Masibay, Designerin und interkulturelle Trainerin ist Vielfalt mit ihren Vor- und Nachteilen eine Gegebenheit. Von Anfang an war sie mit der Vielfalt des Lebens konfrontiert. Ihr Leben auf den Philippinen, in den USA, jetzt in Deutschland zusammen mit Ihren vielen Reisen bietet Ihr sehr viele Entscheidungsmöglichkeiten. "Ich nutze diese Vielfalt und bediene mich – das bedeutet allerdings auch, dass ich ständig mit 'Anderem' konfrontiert oder selbst als 'Anders' wahrgenommen werde. Mit den Möglichkeiten der Vielfalt kommen die Bedrängnisse. Herauszufinden was gut ist und sich für das Richtige zu entscheiden ist oft sehr emotional. Da finde ich Spielen und Improvisieren einen idealen Weg um sich mit den Herausforderungen der Vielfalt auseinanderzusetzen."


Die drei Frauen verbindet eine gemeinsame Vision für dieses Projekt:  Vielfalt ist eine Art von Freiheit. Die Freiheit und Entscheidungsmöglichkeit aus Verschiedenem eine eigene Identität zu bilden, zu festigen und Selbstsicherheit zu erlangen, damit positiv mit dem Gefühl von Fremdheit und dem tatsächlich Fremden in der Vielfalt umgegangen werden kann.


Das Projekt erhielt im Januar 2009 einen finanziellen Anerkennungspreis vom 2. Regionalen Förderinitiative vom Pakt Zukunft. So konnte man die ersten Schritte konkret umsetzen. Ein Abenteuer ist dieses Projekt nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für die Organisatoren. Da ein gemeinsames Entwickeln statt einem fertigen Theaterstück ein Ziel des Projekt ist, sind alle gespannt was die Jugendlichen aufgreifen und welche Ideen und Vorschläge sie haben und umsetzen möchten.

Farnaz Schaefer (mitte) vom Internationalen Frauenkreis nimmt den Anerkennungspreis der 2. Regionalen Förderinitiative vom Pakt Zukunft entgegen. 23.01.2009, Heilbronn.

Team-Besprechung (von links nach rechts): Farnaz Schaefer, Tina Koball, Georg Kistner, Rainer Möck, Ruth Steinke und hinter der Kamera Patricia Masibay. Oktober 2009.

Foto oben: Ruth Steinkes schriftliche Notizen über das Konzept für den Antrag. August 2008. 

Text und Photos: Patricia Masibay

Freitag, 23. Oktober 2009

Abenteuerlustige Spieler(leiter)in: Christina Koball
























Die 24-jährige Theaterpädagogin der Freilichtspiele Schwäbisch Hall Christina Koball ist gerade mal zweieinhalb Wochen in Schwäbisch Hall und hat schon alle Hände voll zu tun.

Zusammen mit Rainer Möck vom Kleinen Theater Hall leitet sie seit dem 9. Oktober 2009 das Theaterprojekt Abenteuer Vielfalt. Dabei bringen die beiden die Jugendlichen des Projekts ins Spiel.

Schon an ihrem ersten Tag ist es offensichtlich, dass Theater, Spielen und mit jungen Menschen zu arbeiten ihre vertraute Welt ist. Schon seit 15 Jahren bewegt sie sich in diesem Metier.

Ermutigt von ihrem Vater, fing sie mit Theaterspielen an als sie neun Jahre alt war. Nach dem Abitur entschied sie sich, ein Freiwilliges Kulturelles Jahr am Theater Vorpommern zu absolvieren. Danach studierte sie Theaterpädagogik an der Fachhochschule Osnabrück. Nach Ihrem Abschluss (B.A.) begann sie als Theaterpädagogin und Erzieherin an der Deutschen Schule Bilbao zu arbeiten. Heute arbeitet sie als Theaterpädagogin für die Freilichtspiele Schwäbisch Hall.

Vieles dreht sich um die Theaterwelt: Leidenschaft, Engagement, Studium und jetzt ihr Beruf. Platz für andere Interessen gibt es wenig, aber dennoch nimmt sie sich Zeit zum Reisen, Lesen, Sport und ihren Freund in Würzburg. Sie ist voll Tatendrang und ist konsequent: einmal angefangen muss sie ein Buch zu Ende lesen, auch wenn es ihr nicht gefällt. Aber wenn sie an etwas Gefallen findet, dann leuchten ihre Augen voller Enthusiasmus und sie lächelt: "Schiffbruch mit Tiger von Yann Martel ist das letzte gute Buch, das ich gelesen habe". Sie spricht gern über ihre Zeit in Spanien, in der sie die Vielfalt des Landes und dessen Art von Tanztheater kennen gelernt hat.

Das Thema Vielfalt ist schon damals bei ihrer ersten Stelle in Bilbao ein wichtiger Faktor gewesen. Die Leiterin des Kindergartens der Deutschen Schule schätzte Erzieherinnen mit unterschiedlichen Hintergrundkompetenzen wert und so fand sich Christina inmitten einer bunten Mischung von Kolleginnen. Während ihrer Zeit in Spanien hat sie auch die Herausforderungen der Fremde erfahren: andere Sprache, andere Sitten, andere Spielregeln. Das Jahr in Bilbao war wichtig für sie und am Ende entwickelte sie schon ein Gefühl von Heimat. So war ihre erste Woche hier im Hohenlohischen - obwohl in Deutschland - überraschend fremd für sie, noch besonders Schwäbisch/Hohenlohisch.

Im Allgemeinen versteht sie Vielfalt als Luxus, der zuweilen überfordert, aber dennoch wichtig ist: "Wenn ich Shampoo kaufen will und vor einem Regal mit so vielen Sorten stehe, gibt es für mich zu viele Entscheidungsmöglichkeiten. Ich bin dann fast überfordert. Trotzdem stellt diese Möglichkeit zu entscheiden eine gewisse Qualität dar. Es ist Luxus. Auch wenn ich daran denke, dass es viele verschiedene, interessante Kulturen und Länder gibt. Aber das erschwert es umso mehr, Urlaub zu machen. Wo fängt man an?"

Konkret mit diesem Theaterprojekt fängt sie an, mit den Jugendlichen verschiedene, mögliche Umgangsformen mit Vielfalt zu suchen, damit zu experimentieren und darüber zu reflektieren. Über diese Möglichkeit ist Christina sehr froh: "Das Theater schult viele Kompetenzen, die heute wichtig sind, wie z.B. etwas gemeinsam trotz vieler Unterschiede zu schaffen. Theaterspielen als Erfahrung und Lernprozess fördert Empathie und das ist wichtig für einen guten Umgang mit Vielfalt.“

Sie mag es, mit jungen Menschen zu arbeiten, auch wenn sie vielleicht ungeduldig fragen "Wann fängt das Theater an? Warum spielen wir nur?", so stellen sie die Wichtigkeit oder sogar die Existenz der Theaterpädagogik nicht in Frage, wie viele Erwachsene es tun. "Manchmal, in meiner Freizeit, sage ich den Leuten nicht, was ich arbeite, weil ich es zu oft verteidigen muss".  Sie glaubt an das Theater - als Pädagogik aber auch als reine Unterhaltung. "Jeder kann Theater spielen und es berührt mich öfter, Laien spielen zu sehen als einen geschliffenen Profi auf der Bühne". Sie sagt, es ist nicht zu früh und nie zu spät anzufangen - das Angebot zu nutzen. Ihr Rat: "Traut Euch, Euch zu zeigen!"

Dann zeigt sie, was sie in der Hand hält. Sie hat es kürzlich auf der Straße gefunden: einen Heller. Nun ihre Frage an die HallerInnen: "Was ist ein Heller wert?"

Christina Koball, Theaterpädagogin 
theaterpaedagogik@freilichtspiele-hall.de
weitere Infos zur Person auf www.freilichtspiele-hall.de
Die Gruppe improvisiert eine "Maschine" durch Bewegungen, mit Geräuschen und was ihr noch einfällt...



"Image of..." dann spricht Christina ein Wort wie "Monster" und die Jugendlichen stellen ihre Interpretation dar. Hier warten sie auf den nächsten Begriff.
Foto oben: Christina Koball hält ihren ersten Heller in der Hand.
Text und Fotos: Patricia Masibay