Dienstag, 3. November 2009

...aufs Spiel(en) setzen

"Unsere Welt wird auch in Heilbronn-Franken immer interkultureller und vielfältiger. Viele Kinder und Jugendlichen wachsen in eine Welt hinein, in der Verschiedenheit von Lebenssituationen und -stilen immer mehr zum Alltag gehört. Genauso wie immer mehr "Fremdheit" in die eigene Region kommt, verlassen wir selbst immer wahrscheinlicher die bekannte Umgebung und werden irgendwo in der Welt "fremd" sein. Dabei macht sich Vielfalt nicht nur an interkulturellen Grenzen fest. Vielfalt drückt sich auch aus in Unterschieden im Geschlecht, in der sozialen Schicht, in der Religion, oder in der Sprache, auch in "Dick" und "Dünn", in Behinderungen... Um dies positiv anzugehen und kompetent damit umzugehen, ist ein Lernen vom Umgang mit Vielfalt die Voraussetzung. Dieses Lernen ist förderlich für den Einzelnen wie auch für ein gelingendes Zusammenleben und eine friedliche Gesellschaft. Interkulturelle und Diversity-Kompetenzen sind Schlüsselkompetenzen im Arbeits- wie auch im privaten Leben." Auszug aus dem Antrag für Pakt Zukunft, September 2009

Das Theaterprojekt "Abenteuer Vielfalt": Der Anfang 2008.
"Dieses Projekt beruht auf einem Zufall" sagt Farnaz Schaefer, eine Mitbegründerin des Internationaler Frauenkreises (IFK) Schwäbisch Hall. Sie erinnert sich gerne an den glücklichen Umstand, der vor gut anderthalb Jahren das Theaterprojekt ins Leben gerufen hat.


Im Juni 2008 trafen sich Farnaz Schaefer mit Ruth Steinke
, pädagogische Mitarbeiterin der Volkshochschule (VHS) Schwäbisch Hall, eigentlich um über ganz andere Themen zu sprechen.

Nebenbei erzählte Farnaz über ein tolles Theaterprojekt ("People's Theater") dass sie zuvor kennengelernt hatte. Schon damals war der Kontakt mit Rainer Möck vom Kleinen Theater Hall entstanden. Doch für die Durchführung des Projekts fehlte es vor allem am Geld. Ruth hörte interessiert zu und erzählte von der Heilbronner Förderinitiative "Pakt Zukunft". Sie war für die Antragstellung zuständing und suchte dafür interessante Projekte.



Die beiden entschieden, eine Kooperation einzugehen und den Antrag für ein Projekt einzureichen. Als Kooperationspartner für die Theaterpädagogik sagte das "Kleine Theater Hall" prompt zu und auch die Freilichtspiele Schwäbisch Hall bekundeten schnell Interesse. Das Thema "Vielfalt" vorgeschlagen von Patricia Masibay, wurde zusammen mit weiteren aktiven Mitgliederinnen des Internationalen Frauenkreisen und Ruth Steinke entwickelt. Auf dieser Basis entwarfen Ruth Steinke, Farnaz Schaefer und Patricia Masibay – ergänzt von Rainer Möck – das inhaltliche Konzept für den Antrag "Abenteuer Vielfalt".

Am 30. Oktober 2009 trafen sich die drei Frauen wieder um die Projektinhalte noch einmal aus persönlicher Sicht zu erläutern:  Wieso eigentlich "Vielfalt" als inhaltliches Konzept? Wieso Theaterpädagogik als Methode? 
Die Antwort von Farnaz kam sehr schnell und überzeugt: "Vielfalt bedeutet Freiheit für mich. Besonders die kulturelle Vielfalt finde ich wunderschön - sie gibt mir Ideen. Ich kann mein Leben gestalten so wie ich will- ich bin nicht durch eine Kultur begrenzt." Farnaz wurde im Iran geboren und verbrachte dort ihre Kindheit bevor sie als Jugendliche in die USA zog. Seit 1985 hat sie Ihre eigene Familie in Deutschland, ihre Heimat gefunden. Mit dieser Biografie weiß sie, dass Vielfalt auch schwierige und unangenehme Herausforderungen in sich birgt. Farnaz erinnert sich an die teilweise schmerzliche Kindheit im Iran. Dort fühlte sie sich fremd und wegen ihres Glaubens ausgegrenzt. Sie musste im realen Leben Verschiedenes ausprobieren um einen Weg zu finden mit diesen Gefühlen umzugehen und ihr jetziges Gleichgewicht zu finden. "Durch Theater haben die Kinder und Jugendlichen eine spielerische Möglichkeit ihre eigene Antworten zu finden."


Ruths Antwort ist überlegt. Für sie ist Vielfalt spannend- eine Öffnung ihres Horizonts. Ihre persönliche Erfahrung mit Vielfalt kommt aus der Sicht, Teil einer Mehrheitsgesellschaft zu sein.  "Es gibt Situationen wo man sich anders fühlt und dadurch allein obwohl man nicht eine andere Hautfarbe hat, eine andere Religion ausübt oder eine andere Sprache spricht. Auch innerhalb einer Kultur gibt es unterschiedliche Milieus. Es gibt Unsicherheit, es gibt Druck es gibt Komplexität." Sie sieht das Thema Vielfalt kritisch- es geht um Individuen, um Schicksale von Anderen, um die Prüfung unseres Umgangs mit Anderen bevor wir deren Verhalten bewerten. Sie spricht über Toleranz und Grenzen. "Es geht darum herauszufinden was man mag und was nicht. Und was ist für die eigene Identität erlaubt, was weniger? Es geht darum dass wir uns nicht verstecken, dass wir nicht sofort zumachen, dass wir uns öffnen wenn wir mit etwas Fremden konfrontiert sind".  Ihr ist es sehr wichtig das die Jugendliche sich durch Theaterpädagogik selbst finden und eine Sicherheit durch Ausprobieren verschiedener Rollen gewinnen.


Für Patricia Masibay, Designerin und interkulturelle Trainerin ist Vielfalt mit ihren Vor- und Nachteilen eine Gegebenheit. Von Anfang an war sie mit der Vielfalt des Lebens konfrontiert. Ihr Leben auf den Philippinen, in den USA, jetzt in Deutschland zusammen mit Ihren vielen Reisen bietet Ihr sehr viele Entscheidungsmöglichkeiten. "Ich nutze diese Vielfalt und bediene mich – das bedeutet allerdings auch, dass ich ständig mit 'Anderem' konfrontiert oder selbst als 'Anders' wahrgenommen werde. Mit den Möglichkeiten der Vielfalt kommen die Bedrängnisse. Herauszufinden was gut ist und sich für das Richtige zu entscheiden ist oft sehr emotional. Da finde ich Spielen und Improvisieren einen idealen Weg um sich mit den Herausforderungen der Vielfalt auseinanderzusetzen."


Die drei Frauen verbindet eine gemeinsame Vision für dieses Projekt:  Vielfalt ist eine Art von Freiheit. Die Freiheit und Entscheidungsmöglichkeit aus Verschiedenem eine eigene Identität zu bilden, zu festigen und Selbstsicherheit zu erlangen, damit positiv mit dem Gefühl von Fremdheit und dem tatsächlich Fremden in der Vielfalt umgegangen werden kann.


Das Projekt erhielt im Januar 2009 einen finanziellen Anerkennungspreis vom 2. Regionalen Förderinitiative vom Pakt Zukunft. So konnte man die ersten Schritte konkret umsetzen. Ein Abenteuer ist dieses Projekt nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für die Organisatoren. Da ein gemeinsames Entwickeln statt einem fertigen Theaterstück ein Ziel des Projekt ist, sind alle gespannt was die Jugendlichen aufgreifen und welche Ideen und Vorschläge sie haben und umsetzen möchten.

Farnaz Schaefer (mitte) vom Internationalen Frauenkreis nimmt den Anerkennungspreis der 2. Regionalen Förderinitiative vom Pakt Zukunft entgegen. 23.01.2009, Heilbronn.

Team-Besprechung (von links nach rechts): Farnaz Schaefer, Tina Koball, Georg Kistner, Rainer Möck, Ruth Steinke und hinter der Kamera Patricia Masibay. Oktober 2009.

Foto oben: Ruth Steinkes schriftliche Notizen über das Konzept für den Antrag. August 2008. 

Text und Photos: Patricia Masibay

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